Die Goldmedaille von Hildegard Falck

Dietlinde Weinberger hat Besonderes zu berichten. Eigentlich Chefhostess bei Olympia 1972, kann sie damals so ganz nebenher eine Goldmedaille präsentieren. Allerdings besitzt sie die begehrte Trophäe nur leihweise. Eigentümerin der Medaille ist nämlich Hildegard Falck, die den 800-Meter-Lauf der Frauen für sich entschieden hat. Nur kann die siegreiche Olympionikin nicht immer selbst auf das Edelmetall aufpassen und bittet daher die ehemalige Chef-Hostess diese Aufgabe einmal für sie zu übernehmen. Da kann Frau Weinberger, damals 32 Jahre alt, nicht widerstehen und legt die Medaille für einen kurzen Augenblick an. Doch der Reihe nach. Als Olympia-Hostess wird Dietlinde Weinberger ausgewählt, weil sie als Sportlehrerin und Dozentin in Würzburg ideale Voraussetzungen für diese Aufgabe mitbringt. In München beaufsichtigt Frau Weinberger im Sommer 1972 dann um die 40 junge Kolleginnen. „Ihre“ Hostessen betreuen die vielen Funktionäre, beantworten sämtliche Fragen die Spiele betreffend oder besorgen Eintrittskarten für Konzerte und Theateraufführungen. Die Arbeitszeiten des Hostessen-Teams sind, nun ja, fließend. „Trotzdem war der Job cool“, wie Dietlinde Weinberger auch 50 Jahre danach noch sagt. Für die Arbeit der verantwortlichen deutschen Stellen nach der Geiselnahme im Olympischen Dorf dagegen schämt die Chef-Hostess sich jetzt noch. Noch heute spricht sie von einem „dilettantischen Verhalten“. Die Entscheidung des IOC, die Spiele nach dem Attentat fortzusetzen, fand Dietlinde Weinberger „damals falsch“. Fünf Jahrzehnte später aber sieht sie den Beschluss in einem anderen Licht: „Die Wettkämpfe fortzusetzen war am Ende doch richtig. Olympia durfte sich einfach nicht in die Knie zwingen lassen.“

 

Beitrag entstanden im Erzählcafé München 72

Text von Michael Weilacher, basierend auf einem Interview mit Dietlinde Weinberger

+Erinnerung hinzufügen

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Erinnerung

Unter welchem Namen soll dieser Beitrag erscheinen?

Persönliche Informationen (werden nicht veröffentlicht)

Datenschutz*
×
×
×