Grafikdesign-Workshop: Erstelle dein eigenes Piktogramm! 

Zwei Menschen (eine Frau, ein Mann) sind als schwarze Piktogramme an einer weißen Wand aufgehängt. Dazu drei Herzen, ebenfalls im Piktogrammstil
cc by Ulrich Tausend (JFF)
Drei Menschen als Piktogramme, dazu der bunte Schriftzug "München 72"
cc by Ulrich Tausend (JFF)

Von Helena Grebner

Hintergrund 

Ein lichtes Blau, dazu Hellgrün, Weiß, Silber und Orange, ergänzt mit Blauviolett, Dunkelgrün, und einem satten, orangefarbenen Gelb. ‚Unpolitisch‘ müsse es sein, bloß nicht an die Farben der Diktatur erinnern. Die Olympischen Spiele 1972 in München sollten – gekleidet in dieser bunten Farbgebung – unter einem guten Stern stehen. Die Grundfarbe, ein kräftiges, helles Blau weckte Assoziationen an den strahlenden Himmel, an Jugend, an Frieden aber auch an oberbayerische Landschaft, deren Seen und Alpensilhouetten. Das war das Anliegen des Designers Otl Aichers, der eigens für die Spiele ein ganzheitliches Erscheinungsbild gestaltete, welches man heute als Corporate Identity bezeichnen würde. Neben seiner ausgearbeiteten Farbpalette, welche sich u.a. in zahlreichen Souvenirs und in dem berühmten farbenfrohen Olympia-Maskottchen Dackel Waldi widerspiegelt, konzipierte er ein Bildzeichensystem zur Kennzeichnung der unterschiedlichen Sportarten. Dabei gelang es ihm, Bewegung so darzustellen, dass sie jede*r verstand. Seine Piktogramme gelten als einzigartig, klar strukturiert und zeitlos.  

Piktogramme sind Symbole, die durch vereinfachte graphische Darstellung Informationen vermitteln. Sie laufen für die meisten Menschen, die sich nicht explizit damit befassen, als selbstverständliche, aber unbewusste Bildsprache im Alltag mit, lenken die Aufmerksamkeit, weisen hin, weisen zurecht und weisen manchmal in die richtige Richtung. Ihre beständige, einfache und geometrische Form bildet einen Kontrast zu den in der medialen Schnelllebigkeit produzierten Video- und Bilderfluten.

Ein Foto von zwei Piktogrammen (Menschen die Sport treiben), aufgenommen vor der Fassade der Olympiahalle, München
cc by Ulrich Tausend (JFF)

Piktogramme können politische Botschaften vermitteln und bspw. queeres Leben in der Stadtgesellschaft durch spezifische Ampelmännchen* sichtbar machen oder auch als visuelle Sprache der Migration fungieren, wie es das Anliegen der urbanen Aktionen von Migrantas ist. Piktogramme sind also auch Identifikationsmerkmal; sie können Emotionen symbolisieren oder aber von einem Hobby, einer Kindheitsheldin oder der Lieblingsband erzählen. Ihnen allen gemein ist, dass sie etwas kommunizieren. Sie können letztlich auch als nonverbale Gestikulation, welche wir uns in Situationen zur Hilfe nehmen, in denen unser Vokabular versagt, gelesen werden. In einer zunehmend pluralisierten Welt ist gerade diese Form der Kommunikation eine Ressource von unschätzbarem Wert.  

Der Design Workshop München 72, konzipiert von der Kommunikationsdesignerin Sophie Fent und dem Medienpädagogen Ulrich Tausend, eröffnet einen Zugang zu Otl Aichers Gestaltungsansatz, gibt Einblick in die Stimmung und das Erscheinungsbild der so heiter geplanten Spiele und eröffnet die Möglichkeit für Teilnehmende, selbst gestalterisch tätig zu werden, ein eigenes Piktogramm zu entwickeln und damit auch ein Thema zu kommunizieren, eine ganz persönliche Botschaft zu vermitteln. 

Format  

Der Workshop richtet sich an alle Interessierten ab 10 Jahren und ist auf fünf Stunden angelegt. Er wurde sowohl mit Schüler*innen einer sechsten sowie einer elften Klasse durchgeführt. Zunächst gibt es eine kurze altersgerechte Einführung in das Leben und Wirken Otl Aichers sowie eine Hinführung zum Begriff des Piktogramms. Während jüngere Schüler*innen dazu angehalten werden, Piktogramme zu entschlüsseln und zu raten, welche Botschaften sich wohl dahinter verbergen, werden die Älteren vertieft über Begriffe wie Corporate Design informiert und sie erhalten einen vermehrt theoretischen Einblick. Im Mittpunkt steht jedoch immer die Frage: Warum sind Piktogramme so wirkungsvoll und waren besonders für die Olympischen Spiele ein großartiges Mittel der visuellen Kommunikation? 

Im Anschluss bekommen die Schüler*innen jeweils paarweise ein iPad an die Hand und eine Einführung in das Programm ProCreate. Die Einführung erfolgt synchron zum eigenständigen Ausprobieren der Kinder und Jugendlichen. So zeichnet sich ein besonders hoher Lerneffekt ab, wenn sie die Möglichkeit haben, das zuvor demonstrierte direkt selbst auszuprobieren. Zunächst geht es darum, die Variationen des Zeichnens in der App näher zu bringen. Hier gibt es verschiedene Pinselstärken, eine breite Palette an möglicher Farbgebung, aber auch geometrische Formen, die automatisch erstellt werden können. Komplexer wird das Gestalten eines Designs durch das Hinzufügen mehrerer Ebenen, die die unabhängige Bearbeitung einzelner Segmente ermöglicht. Es gibt darüber hinaus auch die Möglichkeit, im Internet zum Download zur Verfügung stehende Open Source Designs in die App zu laden, um das eigene Bild zu ergänzen. Sobald die Teilnehmenden ihr Design fertiggestellt haben, werden diese auf DIN A4 Papier ausgedruckt. 

Um das konzentrierte Arbeiten etwas aufzulockern, findet nun eine Führung von Andrea Engl, Mitarbeiterin des Stadtmuseums, durch die Ausstellung „München 72. Mode, Menschen und Musik“ statt. Die Teilnehmenden haben so die Möglichkeit, die Wirkung des Designs der Olympischen Spiele nicht nur theoretisch, sondern auch atmosphärisch nachzuvollziehen. Die Räume sind in den bunten Olympia-Farben gestaltet und Schaufensterpuppen tragen die für die damalige Zeit so progressive Mode. Der Modeschöpfer André Courrèges nahm explizit Bezug auf Aichers Farbpalette, konzipierte bewusst einen entmilitarisierten Kleidungsstil und provozierte mit seinen einfarbigen Unisex-Einteilern, welche traditionelle Geschlechterrollen unterliefen. Daneben erzählen zahlreiche Erinnerungsstücke sowie teils noch unveröffentlichtes Bild- und Videomaterial von der einzigartigen Stimmung sowie dem vielschichtigen Musik- und Kulturprogramm rund um die Spiele. Eine Chronologie der Ereignisse am 5. September vermittelt jedoch auch einen Einblick in die Schreckensszenarien des Attentats, den damit verbundenen politischen Versäumnissen und der mangelhaften Aufarbeitung im Anschluss.  

Eine Führung von Schüler*innen in der Ausstellung "Mode, Menschen und Musik" des Münchner Stadtmuseums, im Rahmen des Projekts München 72
cc by Ulrich Tausend (JFF)

Nach der Führung durch die Ausstellung geht es nun mit den neu gewonnenen Eindrücken wieder zurück in den Workshopraum und an die konkrete Umsetzung der selbstgestalteten Piktogramme auf die bereitgestellten Turnbeutel: Die Teilnehmenden schneiden ihre Piktogramme aus, befestigen die jeweilige Schablone auf dem Beutel und bemalen im Anschluss das Motiv. Abschließend gibt es eine Präsentationsrunde und jede Gruppe kann ihr persönliches Motiv auf dem Beutel präsentieren und erzählen, wie es zu der Idee kam und warum sie sich für gerade dieses Motiv entschieden haben.

Gestalten: Von der Idee in die App und auf Stoff 

Was ist mir wichtig? Was möchte ich kommunizieren? Wie übersetze ich meine Botschaft in eine Kernaussage? Wie lässt sich diese wiederum in ein Bild gießen und so weit vereinfachen, dass sie als Piktogramm funktioniert? Es sind diese Fragen, welche die Teilnehmenden durch den Prozess hindurch begleiten. Von zaubernden Katzen, tanzenden Figuren unter Sternenhimmel, bunten Kürbissen, Papageien und zerbrochenen Herzen ist am Ende alles dabei. Die Kontextualisierung zu München 72 muss sich nicht zwangsläufig in der eigenen Gestaltung widerspiegeln, aber sie bietet einen Rahmen, um die Bedeutung von Piktogrammen verstehbar zu machen. Und auch wenn ein Bezug zu den Olympischen Spielen vielleicht nicht bewusst intendiert ist, so entfaltet die Atmosphäre der Sportwettkämpfe und die ausgelassene Stimmung auf dem Olympiaparkgelände doch ein Hintergrundrauschen, welches in der Gestaltung der Schüler*innen einen Ausdruck findet.  

Eine Figur mit zwei Flaggen an der Hand. „Weil wir beste Freunde sind und immer beste Freunde sein werden“, kommentiert ein Junge das Motiv, welches er gemeinsam mit seinem Freund entwickelt hat. Die häufig als Distinktionsmerkmal verwendete Symbolik von Flaggen, um auf einen vermeintlich so unterschiedlichen ‚kulturellen‘ Hintergrund zu rekurrieren, erlangt so eine ganz andere Bedeutung. Für die beiden Jungen bieten die Fähnchen in unterschiedlichen Nationalfarben zwar einerseits individuelle Identifikationsfläche, sie dienen aber in ihrem Motiv als Symbol für emotionale Verbundenheit. Damit unterlaufen sie auch subtil die im Kontext von internationalen Sportwettkämpfen eingesetzte Festlegung auf Nationalmannschaften, welche sich gegenseitig messen müssen, um am Ende eine*n Gewinner*in zu küren. Hier geht es eben nicht darum, wer besser ist, sondern um den Gleichklang in ihrer Freundschaft. „Wir wollen ein Zeichen für Gleichberechtigung von Männern und Frauen setzen“, erklären die beiden Schülerinnen der 11. Klasse und präsentieren eine Waage auf der sich eine männlich und eine weiblich gelesene Figur gegenüberstehen und sich buchstäblich die Waage halten. 

Andere Jugendliche drücken mit ihren Piktogrammen ihre Leidenschaft für eine bestimmte Sportart, ein bestimmtes Hobby oder auch ihr Lieblingstier aus. „Keine Ahnung, ich hab das halt so gemalt.“, sagt eine Schülerin der 6. Klasse während sie ihr Piktogramm präsentiert: Ein Mädchen mit einem zersprungenen Herzen in der Hand. Auch hier zeigt sich, was das Wesen eines Piktogramms eben auch ausmacht: es ist eine nonverbale Botschaft, eine Art, sich ohne Worte zu kommunizieren und vielleicht spiegelt sich darin auch ein subtiles Bedürfnis, etwas mitzuteilen oder mit einem Anliegen gesehen zu werden.  

Eine Schülerin zeichnet mit einem pinken Filzstift ein Piktogramm auf ein Stück Stoff: Zu sehen ist eine Waage, links steht ein Mann und rechts eine Frau.
cc by Ulrich Tausend (JFF)

Ziele 

Der Workshop dient der Auseinandersetzung mit der Münchner Stadtgeschichte, konkret bezogen auf den historischen Kontext der Olympischen Spiele 1972. Gleichzeitig findet eine Reflexion über Zeichen, Symbole – kurz: Piktogramme – statt, welche über den geschichtlichen Kontext hinaus nach wie vor Gültigkeit in der Alltagsorientierung haben und als zeitlose Bildsprache das gegenwärtige Erleben strukturieren.  

Das farbenfrohe Design, die dafür geschaffenen Symbole und Zeichen konnten kein Attentat verhindern, welches am 5. September die Spiele überschattete und sich nachhaltig in das kollektive Gedächtnis einer Stadtgesellschaft eingeschrieben hat. Die unpolitische und insbesondere gewaltfreie Dimension, die Aicher seiner Farbgebung und Gestaltung beizumessen bemüht war, erhält so unweigerlich retrospektiv doch eine, wenn auch ungewollt, politische Färbung. Auch daran zeigt sich, wie eine Symbolsprache, wie es Piktogramme sind, keinesfalls starre Gebilde sind, sondern lebendige Kommunikation, die in bestimmten Kontexten mit unterschiedlicher Bedeutung aufgeladen, vielschichtige Assoziationen wecken und nicht auf simple Botschaften zu reduzieren sind.  

Darüber hinaus hat der Workshop zum Ziel, das erworbene Wissen um diese Art der Kommunikation sowie das Erlernte in der App zu eigenen Themen in Bezug zu setzen. Das persönliche sich-in-Bezug-Setzen findet sodann einen kreativen Ausdruck. Eigene Ideen sollen entwickelt und entsprechend umgesetzt werden. Gerade die Jüngeren neigen dazu, sich besonders komplexe Motive zu überlegen und es kann passieren, dass sie mit der Enttäuschung kämpfen müssen, wenn die Idee nicht mit dem Ergebnis mithalten kann. Auch auf dieser Ebene kann der Workshop pädagogisch begleiten, mit solchen Enttäuschungen umzugehen, sich mit den eigenen Limitierungen auseinanderzusetzen, aber auch der Bewusstwerdung beitragen, wie schwierig es manchmal ist, komplexe Ideen umzusetzen und damit einhergehend eine Wertschätzung sowohl für das eigene Schaffen aber auch für das der Künstler*innen zu generieren.

Eingesetzte Medien 

iPad 
App ProCreate 
Piktogramme von der Webseite thenounproject.com 
(Jutebeutel, Bastelmaterialien) 

Zielgruppe 

Kinder ab 10 Jahren 
Jugendliche und Erwachsene 

Ziele 

Wissensvermittlung 
Kreativität 
Umgang mit digitalen Medien 
Eigenständiges Gestalten 

Variationen  

Der Workshop kann in der Form auch auf andere politische oder historische Kontexte übertragen werden und je nach gegebenen historischen oder zeitgenössischen Rahmen der Reflexion über die vorherrschende Zeichensprache dienen. Dies kann beispielsweise eine Auseinandersetzung mit popkulturellen Phänomenen am Beispiel des Straßenkünstlers Banksys sein, dessen Motive internationale Bekanntheit erlangt haben, oder aber auch eine kritische Reflexion politischer Symbole zum Ziel haben, die aus ihrem jeweiligen soziokulturellen Kontext entnommen und für bestimmte Zwecke (miss-)braucht werden. Möglich wäre auch eine Auseinandersetzung mit urbanen Aktionen bspw. von Migrantas, welche mittels Piktogrammen eine visuelle Sprache der Migration generieren und sichtbar machen, was diejenigen denken und fühlen, die ihr eigenes Land verlassen haben. Für die konkrete Umsetzung eigenen sich selbstverständlich auch andere Materialien, wie zum Beispiel T-Shirts, Tischdecken, Bettwäsche, usw.

Feedback  

Die Schüler*innen geben sehr positives Feedback. Sie freuen sich, etwas selbst Gestaltetes mit nach Hause nehmen zu können. Besonders der Umgang mit der App habe viel Spaß gemacht, hier hätten sie sich teilweise noch mehr Zeit zum Ausprobieren gewünscht. Daran zeigt sich, wie wichtig es für Jugendliche sein kann, sich abseits des schulischen Rahmens spielerisch austoben zu können, ohne sofort ein Ergebnis präsentieren zu müssen. Die App CreateProbietet hier einen idealen Rahmen, einfach drauflos zu zeichnen, ggf. alles wieder zu löschen und neu zu probieren.  

Eine reihe selbstgestalteter Jutebeutel mit eigenen Piktogrammen liegt auf einem Tisch
cc by Ulrich Tausend (JFF)