Petra R. ist im Jahr der Olympischen Spiele in München 22 Jahre alt und hat zu Olympia bereits ein besonderes Verhältnis: Ihre Mutter hat 1936 im Rahmenprogamm der Sommerspiele in Berlin als Ruderin teilgenommen. 1953 ist sie zusammen mit ihren Eltern nach München gezogen und 1972 setzt sich die „Olympiageschichte“ von Frau R. dann fort. Eine Freundin arbeitet als Sekretärin im Büro von Willi Daume, damals Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK). Die junge Frau ist für Jürgen Schröder tätig. Der deutsche Ruderer hatte 1964 bei den Olympischen Spielen in Tokio die Silbermedaille im Achter gewonnen. In München ist er persönlicher Referent von Willi Daume. Falls erforderlich, hilft Petra R. also im NOK-Büro aus. Viel Zeit hat die Versicherungsangestellte im Sommer 1972 allerdings nicht, denn sie verfolgt etliche spannende Wettkämpfe. Derweil sammelt ihre Freundin für sie Autogramme von bekannten Sportler:innen. Ein Souvenir allerdings sticht alle anderen aus: ein Foto von Petras Freundin am Schreibtisch von Willi Daume. In einem unbeobachteten Moment hatte sie sich für diesen Schnappschuss in das Büro des NOK-Chefs geschlichen. Ganz schön mutig, denn Daume gilt damals als bedeutendster deutscher Sportfunktionär. „Seine“ Spiele verlaufen fröhlich, jedenfalls bis zum frühen Morgen des 5. Septembers. Die Geiselnahme im Olympischen Dorf und die Verbrechen danach hat Petra R. als „tieftraurigen Einschnitt“ in Erinnerung. Dennoch verfolgt sie die Wettkämpfe weiter: „Besonders für die Sportler war die Fortsetzung der Spiele wichtig.“ Und auch nach 1972 sitzt Frau R. bei Olympia noch vor dem Fernseher und verfolgt die Wettkämpfe. München habe „von den Olympischen Spielen in besonderer Weise profitiert“, sei „vom Dorf zur Weltstadt“ geworden.
Beitrag entstanden im Erzählcafé München 72
Text von Michael Weilacher, basierend auf einem Interview mit Petra R.