Als der Zeitzeuge 1972 von Düsseldorf nach München zieht, ist er 27 Jahre alt. Im Radio hat der gelernte Werkzeugmacher gehört, dass die Organisatoren der Olympischen Spiele noch Personal für diverse Aufgaben suchen. Er bewirbt sich und erhält schon bald darauf eine Zusage. Der Mann aus dem Rheinland wird für die Dauer der Spiele als Reservebote eingestellt und sucht sich daraufhin eine Unterkunft in der Nähe des Olympiaparks. In seinem zeitweiligen Zuhause lernt der Zeitzeuge eine junge Frau kennen, die sein Leben verändern sollte, denn die beiden werden später heiraten. Jetzt aber versieht er erst einmal seinen Dienst auf dem Olympischen Gelände. Genauer gesagt: bei den Tennisplätzen im nördlichen Olympiapark. Zudem führt ihn sein Weg des Öfteren ins Pressezentrum, wo er nach den Wettkämpfen den dort tätigen Journalist:innen die offiziellen Resultate übergibt. Mehrere Wettkämpfte besucht der Zeitzeuge auch selbst, denn als Bote befindet er sich in einer privilegierten Position. „Mit meinem Dienstausweis“, erinnert er sich, „hatte ich Zugang zu fast allen Bereichen. Nicht nur zu den Sportstätten, auch zum Olympischen Dorf. Dort habe ich in der Mensa oft zu Mittag gegessen.” Umso entsetzter ist er, als er von der Geiselnahme in der Connollystraße erfährt. Das Attentat verändert auch für ihn den Blick auf die bis dahin so heiteren Spiele. Über allem liegt jetzt ein dunkler Schatten. Trotzdem blickt der Zeitzeuge heute mit Dankbarkeit auf 1972 zurück. Es war das Jahr, in dem er seine Frau kennengelernt hat - und das damit sein ganzes Leben verändert hat.
Beitrag entstanden im Erzählcafé München 72
Text von Michael Weilacher, basierend auf einem Interview mit dem Zeitzeugen