So eng können Heiterkeit und Trauer beieinander liegen. Die Zeitzeugin, damals 36 Jahre alt, verbringt bei den Olympischen Spielen von 1972 viele schöne Stunden, erlebt aber auch den Terror aus nächster Nähe. Als Wohnbereichsleiterin im Olympischen Dorf ist die gebürtige Französin aus Brest für die Koordination der Sportler:innen zuständig und sich um das Wohl der einzelnen Delegationen kümmern. Dazu zählen die Sportlerinnen aus Russland, Israel und der damaligen DDR. Die Russinnen, erzählt die Zeitzeugin noch heute amüsiert, seien „mit großen Portionen Kaviar angereist“, auch zum Verkauf gegen harte D-Mark fürs Shopping in der Innenstadt. Den Job im Olympischen Dorf hatte sie über ihren Mann bekommen. Der Hauptmann war im Hinblick auf die Spiele von der Bundeswehr als Logistik-Verantwortlicher abgestellt worden. Selbst die Familien-Hündin Titine ist bei Olympia dabei. Sie zieht sämtliche Blicke auf sich und wird immer wieder fotografiert. Kein Wunder, trägt Titine doch eine von Bundeswehrsoldaten eigens für sie geschneiderte Uniform samt Olympia-Ausweis. Überhaupt sei es im Olympischen Dorf „höchst lebendig“ zugegangen, erzählt die Zeitzeugin rückblickend, „unter anderem auch durch die Tanzlokale“. Die Sportlerinnen der DDR allerdings hätten kaum einen Schritt ohne Aufpasser:innen gehen können. Selbst das gemeinsame Fernsehen habe abseits der anderen Athletinnen stattgefunden. Insgesamt seien die Spiele auch im Olympischen Dorf sehr heiter verlaufen. Am frühen Morgen des 5. September aber ist es damit vorbei. Von ihrem Büro aus kann die Zeitzeugin das Haus sehen, in dem Mitglieder der israelischen Delegation von einem Terrorkommando als Geiseln genommen worden sind. Auf dem Balkon sieht sie „zwei Männer mit Gewehren“. Der israelische Botschafter erkundigt sich bei ihr nach einer Gruppe israelischer Sportlerinnen, die im selben Haus wohnen. Den jungen Frauen ist nichts geschehen. Der Tag aber endet in einer blutigen Tragödie mit tödlichem Ausgang. Die heiteren Spiele sind zu Ende. Und auch für die Zeitzeugin sind es nicht mehr dieselben Spiele. Sie trauert um die Opfer des Attentats.
Beitrag entstanden im Erzählcafé München 72
Text von Michael Weilacher, basierend auf einem Interview mit der Zeitzeugin