Die Dolmetscherin von Rom

Sehr an der Bewerbung Münchens als Austragungsort interessiert und weniger an sportlichen Spitzenleistungen, bewirbt sich die Zeitzeugin Mitte der 60er Jahre „sehr zurückhaltend und schüchtern“ bei den zuständigen Olympia-Organisatoren um eine Stelle als Dolmetscherin. Und obwohl die Zeitzeugin das Auswahlgremium wissen lässt, sie sei „für die Aufgabe eher ungeeignet“, bekommt sie den Job kurz darauf zugesprochen. Zu diesem Zeitpunkt weiß sie noch nicht, dass sie am 26. April 1966 Zeugin eines Ereignisses von historischer Dimension werden soll. Beim Auswahlverfahren für die Olympischen Spiele, das in Rom stattfindet, setzt München sich gegen die Konkurrenten Montreal, Madrid und Detroit durch. Die deutsche Delegation ist bei der Entscheidung zugunsten von München unter anderem durch Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel und NOK-Präsident Willi Daume vertreten. Etliche Fotos aus dieser Zeit zeigen die Olympia-Dolmetscherin mit Prominenten, denen sie damals begegnet ist: mit OB Hans-Jochen Vogel und dem Zweiten Bürgermeister Georg Brauchle, mit Sportamtsleiter Ralf Schielein, mit Willi Daume und König Konstantin von Griechenland. Die VIP-Liste ist beeindruckend. Den Münchner Oberbürgermeister allerdings hat die Zeitzeugin in besonderer Erinnerung. Er sei damals „wahnsinnig streng“ gewesen und habe ihr „klare Anweisungen“ gegeben. Später allerdings und längst zurück in München – die bayerische Olympia-Delegation war aus Rom kommend in einer Sondermaschine auf dem Oberwiesenfeld gelandet – gibt es für die Zeitzeugin und ihre vier Kolleginnen ein Dankesschreiben von Hans-Jochen Vogel und eine Einladung zum Essen. Und auch nach ihrer Zeit als Dolmetscherin für Politiker, Funktionäre und andere Olympia-VIPs bleibt sie den Spielen von München verbunden. Jahre nach dem sportlichen Großereignis ist im Alten Rathaus eine Ausstellung zum Thema Olympia 1972 zu sehen, die 16.000 Besucher:innen verzeichnet. Die nötigen Informationen dazu gibt ihnen unter anderem die Dolmetscherin von Rom.

 

Beitrag entstanden im Erzählcafé München 72

Text von Michael Weilacher, basierend auf einem Interview mit der Zeitzeugin

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